Fotografische Regeln

„Ich habe die Regeln nicht gemacht, warum soll ich mich also daran halten ?“
(W. Eugene Smith)

 

Wohl jeder (Amateuer-)Fotograf wird eher früher als später mit den „Regeln der Fotografie“ konfrontiert. Regeln sind hilfreich, Regeln schränken aber auch ein. Gerade, wenn man sich sklavisch daran hält und seine gesamte Fotografie daran ausrichtet und ohne jemals die Regeln selbst oder aber ihre Entstehung zu hinterfragen. Viele der „Fotografie-Regeln“ sind viel älter als die Fotografie selbst und stammen aus Bildhauerei und Malerei. Schon früh haben Künstler mehr oder weniger erfolgreich versucht, Regeln für die Schönheit, die Ästhetik zu definieren – und haben dabei auch die Mathematik herangezogen. Das Fatale an diesen Regeln ist, dass man sich ihnen nicht entziehen kann. Sie werden in jeder Publikation über Fotografie früher oder später erwähnt und fataler Weise auch fast immer in einem Kontext, der dem Leser suggeriert, durch ihre strikte Einhaltung bessere Bilder zu machen. Insofern ist erklärbar, warum diese „fotografischen Regeln“ nicht aussterben…

Sinnhaftigkeit

Natürlich machen Regeln Sinn. Sie „regeln“ die Bildgestaltung und führen zu einer gesetzmäßig (=“regelkonformen“) strukturierten Organisation des Bildaufbaus. Und sie führen zur Reproduzierbarkeit. Durch ihre Einhaltung kann sich der Fotograf sicher sein, dass das (Bild-)Ergebnis in unterschiedlichen Situationen bei unterschiedlichen Motiven immer wieder gleichermaßen erzielt wird.

Reproduzierbarkeit vs. Kreativität

Die Frage, die ich mir seit einiger Zeit immer wieder stelle, ist, ob sich Kreativität in Regeln „pressen“ lässt. Oder ersetzt die bedingungslose Einhaltung der Regeln in Wirklichkeit die Kreativität ? Wird das Einhalten von Regeln bei der Bildgestaltung möglicherweise als der kreative Prozess des fotografischen Schaffens empfunden ? Und die hohe Reproduzierbarkeit als Maß des eigenen fotografischen Könnens ?

Die „Drittel-Regel“ ist m.E. ein schönes Beispiel für fotografische Regeln. Ich denke, dass die Drittel-Regel die am meisten eingehaltene Regel überhaupt ist. Abgeleitet ist sie aus dem „Goldenen Schnitt“, einer sehr alten Empfehlung für bildgestalterische Harmonie. Aufgrund der mathematischen Herleitung des Goldenen Schnittes ist selbiger nicht ganz einfach anzuwenden (inzwischen blenden manche moderne Digitalkameras dem Benutzer auf Wunsch ein entsprechendes „Fadenkreuz“ in das Sucher-/Displaybild ein) und wurde zur Drittel-Regel vereinfacht. Dabei wird das Bild einfach horizontal und vertikal in gleichgroße Teile eingeteilt. Dabei entstehen vier Kreuzungspunkte und neun gleich große Teilfelder. Und in diese Aufteilung wird dann das Motiv „gequetscht“ – immer so, dass die „bildwichtigen“ Teile des Motivs möglichst auf den Kreuzungspunkten und -linien zu liegen kommen. Natürlich mache ich das auch und ich habe auch das „Drittel-Gitter“ im Sucher/Display aktiviert. ber immer öfter frage ich mich, ob ich damit dem Motiv gerecht werde oder ob ich es so fotografiere, wie jeder andere es auch fotografieren würde – nämlich in Drittel eingeteilt. Sehe ich noch das Wesentliche ? Sehe ich nur das Wesentliche ? Sehe ich gedrittelt nur das, was alle anderen fotografisch trainierten Augen sehen ? Oder sehe ich noch das Besondere des Motivs, was mich in diesem Augenblick gerade dazu motiviert, es zu fotografieren ? Wie würde ich das Motiv fotografieren, wenn ich überhaupt nicht wüsste, dass eine Drittel-Regel gibt ? Muss ich mal versuchen – und hab‘ gerade die „Drittel-Gitter-Einblendung“ an meiner Kamer ausgeschaltet.

Regeln erst brechen, wenn man sie beherrscht

Ein alter, abgedroschener Spruch aus der Fotografie. Erst muss man den Regeln folgend fotografieren und wenn man das beherrscht (Wer definiert das eigentlich?), dann darf man auch „mal“ eine Regel brechen. Aber nur ausnahmsweise. Denn das visuelle Ergebnis könnte sonst dem Erwartungshorizont des geübten fotografischen Auge mißfallen (Stichwort: Kommentar). Ob dem ungeübten Betrachter eigentlich auffällt, dass gegen fotografischen Regeln verstoßen wurde ? Sieht die Mehrheit der Betrachter eigentlich, ob ein Bild „richtig“ komponiert wurde oder ob in gröbster Weise gegen den Regelkanon verstoßen wurde ? Ich glaube nicht. Ich glaube vielmehr, dass der „normale“ Betrachter – also jemand, der sich nicht mit Fotografie auseinandersetzt – nur in zwei Kategorien einteilt: „Gefällt mir“ oder „Gefällt mir nicht“. Und nicht analysiert, warum ein Bild „gefällt“ oder „nicht gefällt“.

Noch ein paar fotografische Regeln

  • Nicht gegen die Sonne fotografieren!
  • Auf keinen Fall das Motiv in der Bildmitte plazieren!
  • Köpfe nicht anschneiden!
  • Nicht überbelichten!
  • Nicht unterbelichten!
  • Nicht frontal blitzen!

Werd‘ ich jetzt alles mal machen – so Stück für Stück. Denn ich glaube, dass der zwanghafte Versuch, Regeln zu brechen auch nicht zu einem besseren Bild führt. Mal sehen, was für Bilder entstehen…