Recht·schrei·bung…

(CB) …Substantiv, feminin [die]. Nach bestimmten Regeln festgelegte, allgemein geltende Schreibweise von Wörtern. Orthografie. Hat heute einen eher empfehlenden Charakter als denn den Charakter eines Regelwerkes. Wird von Reform zu Reform beliebiger.

Ich kann mich daran erinnern, dass Rechtschreibung so ein Ding war, welches sich – ähnlich wie Grammatik und Zeichensetzung – durch meine ganze Schulzeit gezogen hat. Und das nicht nur im Fach „Deutsch“, nein, auch in anderen Fächern waren Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung durchaus wichtig. Denn man konnte sich sehr wohl durch eine mangelhafte Rechtschreibung, eine fehlerhafte Grammatik und die stümperhafte Anwendung der Zeichensetzung Notenabzüge „einfangen“. Außerdem kann ich mich gut daran erinnern, dass wir auf der Grundschule und später noch in der gymnasialen Unterstufe Diktate als Klassenarbeiten geschrieben haben. Und zumindest bis zur Mittelstufe enthielten unsere Klassenarbeiten auch noch einen Grammatik-Teil: Konjugation, Deklination, Person, Pronomen, Kasus, Genus, Numerus. Zudem kam das Ganze auch noch in den Fremdsprachen Englisch, Französisch und ganz speziell im Lateinischen…

Und: damals – oh, wie grausam – strichen die Lehrerinnen und Lehrer jeden Fehler gnadenlos an. Hätte ich damals „Lehrer*innen“ geschrieben, hätte ich auch von einer Lehrerin am Seitenrand neben der Zeile einen roten Strich nebst einem roten „R“ (=Rechtschreibfehler) vorgefunden. Dazu gab es noch einen „Fehlerquotienten“ (=Anzahl der angestrichenen Fehler multipliziert mit 100 und das Produkt dividiert durch die Anzahl der geschriebenen Worte), der einen bestimmten Wert nicht überschreiten durfte, da anderenfalls die Note um eine Notenstufe abgewertet wurde. Nicht zu vergessen: in den Fremdsprachen Englisch und Französisch führte ein Fehlerquotient über dem „Grenzwert“ direkt zu einer „5“ oder einer „6“ – die inhaltliche Komponente wurde so schnell nebensächlich!
Ach ja, und wenn man tatsächlich eine Arbeit „verhauen“ hatte, also eine „5“ oder eine „6“ mit nach Hause brachte, wurden nicht die Lehrerin oder der Lehrer angezeigt und verklagt, sondern es gab elterliche Disziplinierungsmaßnahmen wie „Stubenarrest“ oder „Fernsehverbot“ (Fernsehverbot war ohnehin ziemlich wirkungslos, da wir Kinder damals ohnehin nur wenig Fernsehen schauen durften). Stubenarrest mit elterlicher Lernstandskontrolle war da wesentlich unangenehmer…
Ja, wir Schülerinnen und Schüler der 1970er und 1980er Jahre waren für die Ergebnisse unserer Klassenarbeiten (und Zeugnisse!) selbst voll verantwortlich. Wenn man also lieber an der „Bude“ weitergebaut hatte, als für die Deutsch- oder Mathearbeit zu lernen, musste man auch die Konsequenzen selbst voll verantwortlich tragen. Zwei Wochen durfte man nicht mit den anderen an der Bude weiterbauen. Und: die Ausrede „Der Theodor hat aber eine 6 geschrieben!“ zählte überhaupt nicht. Gar nicht! „Mich interessiert die Note vom Theodor nicht! Mich interessiert nur Deine Note!“, so die elterliche Abweisung des schüchternen Versuchs der Rechtfertigung einer „verhauenen“ Klassenarbeit.

Und dann kam in der Regel noch die „Gardinenpredigt“ hinterher: wie gut wir Schülerinnen und Schüler es heute hätten. Früher, ja, früher, da hätten die Lehrerinnen und Lehrer noch zu ganz anderen Maßnahmen gegriffen. Bei den Großeltern gab es noch Schläge mit dem Rohrstock auf den Hosenboden, bei den Eltern mit dem Lineal auf die Finger! Fehler wurden auch körperlich „verdeutlicht“. Nun, das gab es bei uns nicht mehr, trotzdem hatte einer unserer Lehrer die Angewohnheit nacheinander alle Schülerinnen und Schüler an die Tafel zu rufen und die „Highlights“ der Rechtschreibfehler aus den jeweiligen Klassenarbeiten vor allen an die Tafel schreiben und von der Klasse korrigieren zu lassen. Die Peinlichkeit saß! Heute würde dieser Lehrer wohl wegen „Mobbings“ belangt und aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden.

Was mich aber erstaunt: gerade die ältere Generation – also diejenigen, die noch vor mir zur Schule gingen und immer wieder erzählen, wie streng es damals auf ihren Schulen zuging, vernachlässigen das Gelernte immer mehr. Man muss einfach nur Titel und Beschreibungen von Fotos in Internet-Galerien betrachten. Gruselig…