Was ist hier geschehen ?

(CB) Die Trockenheit der vergangenen Jahre hat deutliche Spuren in unserer Landschaft hinterlassen. Die Fichtenwälder in der Region um meine Heimatstadt haben schwer gelitten, sind zu einem großen Teil einfach abgestorben. Der Wald wurde verändert. Die Fichten, die die Großeltern der heutigen Waldbauern angepflanzt haben, werden nun gefällt. Aber nicht etwa, weil die Bäume „erntereif“ sind, sondern weil sie abgestorben sind.

Die Fichte – bei uns in der Regel Picea abies, die Gemeine Fichte – ist ein einstämmiger und immergrüner Nadelbaum. In Deutschland wäre die Gemeine Fichte nur zu einem geringen Anteil an der Waldbildung beteiligt; ihr natürliches Verbreitungsgebiet liegt in den Bergwäldern der Mittelgebirge und der Alpen. Aufgrund ihres schnellen, geraden Wachstums wurde die Fichte durch gezielten Forstanbau auch in tieferen Lagen zur bestimmenden Art in der deutschen Waldwirtschaft. Als „Wirtschaftsbaum“ erreicht die Fichte ein Alter zwischen 80 und 120 Jahren während sie natürlich wachsend durchaus auch 600 Jahre alt werden kann. Die Fichte benötigt gut durchlüftete Böden, in welchen sie durchaus ein mehrere Meter tief reichendes Wurzelwerk ausbilden kann. Allerdings bildet sie keine Pfahlwurzel, sondern sie beginnt im Alter zwischen 60 und 80 Jahren mit der Ausbildung von tiefer reichenden Senkerwurzeln. In durch Stau- und Grundwasser sauerstoffarmen Böden bildet die Fichte jedoch nur ein flaches, tellerförmiges Wurzelsystem aus.

Und genau dieser Effekt, der durch ungeeignete Standorte entsteht, wird der Fichte in unserer Region zum Nachteil. Die Trockenheit der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass die obere Bodenschicht – bis zu einer Tiefe von etwa zwei Metern [1] – zu trocken für Fichten ist. Denn der einzige Anspruch, den die Fichte an ihren Standort stellt, ist eine ausreichende Wasserversorgung. Aus diesem Grunde sehen wir aktuell in der Region große abgestorbene Fichtenwälder.

Ein abgestorbener Fichtenwald in unserer Region.

Darüber hinaus hat der Borkenkäfer großen Anteil am Absterben der Fichtenbestände. Die Fichten-Monokulturen bieten dem Borkenkäfer einen optimalen Lebensraum, in dem er ausreichend Nahrung für eine großflächige Ausbreitung vorfindet. Die durch Trockenheit geschwächten Fichten können kaum Harz bilden, um die Borkenkäfergänge zu verschließen und die Käfer so abzuwehren – der Käfer hat leichtes Spiel…

Borkenkäferspuren in einem Stück abgefallener Rinde.

Beide Effekte führen nun dazu, dass große Waldflächen abgeholzt werden (müssen). Mit den abgestorbenen Bäumen hat auch der Sturmwind leichtes Spiel und könnte größte Verwüstungen anrichten. Im schlimmsten Fall auch mit Personenschäden. Und so bleiben traurige, wüste Flächen nach den Rodungen übrig.

Waldfläche nach der Rodung. Zurück bleibt eine traurige, wüste Fläche.

Und an den Waldrändern bzw. an den Rändern der gerodeten Flächen bleiben große Stapel Holz zur weiteren Vermarktung und Verarbeitung übrig.

Gefällte Bäume, entrindet, auf Transportlänge geschnitten und am Waldrand aufgestapelt.

Ich befürchte, dass uns der traurige Anblick von gerodeten Waldflächen noch eine ganze Weile begleiten wird. Die Aufforstung mit resistenteren Arten wird womöglich Jahrzehnte dauern und bis aus den Setzlingen wieder Wald geworden ist, wird womöglich ein ganzes Jahrhundert vergehen.

Ein Schimmer Hoffnung für die gerodeten Flächen.

Zu guter Letzt: natürlich gibt es Hoffnung. Fichten sind selbstverständlich keine „schlechten“ Bäume und liefern selbstverständlich kein „schlechtes“ Holz – sie brauchen aber ihre ökologische Nische bzw. ihren Standort in einem komplexen Ökosystem. Echte Nachhaltigkeit wird sich dadurch auszeichnen, für die anstehenden Wiederaufforstungen die Baumarten auszuwählen, die mit sich verändernden klimatischen Bedingungen zurecht kommen, die ihr Wasser aus tieferen Bodenschichten gewinnen können. Es kommt nun mehr als jemals zuvor darauf an, zukunftsweisend zu planen und zu handeln – und es kommt nicht darauf an, Waldflächen mit irgendwelchen Zertifizierungen irgendwelcher Zertifizierungsorganisationen als „nachhaltige Waldwirtschaft“ auszuweisen.

Addendum:
Ich habe die Bilder bewusst so aufgenommen und bearbeitet. Ich habe bewusst die Farbe herausgenommen. Natürlich ist mir bewusst, dass die Botschaft nicht jedem gefällt und nicht bei jedem ankommt. Und ich habe bewusst die fotografischen Grundregeln außer Acht gelassen. Sie sind für das Thema und seine Bedeutung unerheblich.