Digitalisierung von Schulen – Teil 2: Zentrale Infrastrukturen des Landes

(CB) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein föderaler Staat, der von 16 Bundesländern gebildet wird. Zentrale Aufgaben obliegen dabei dem „Bund“, andere – aber nicht minder wichtige Aufgaben – sind „Ländersache“. Schule ist so eine „Ländersache“ und jedes Bundesland macht seine eigene Schulpolitik. Dazu kommt, dass eigentlich jedes Bundesland ständig irgend etwas im Schulsystem „reformiert“ und damit in schöner Regelmäßigkeit irgend etwas „verschlimmbessert“.

Eine Sache jedoch wird von Seiten der Schulministerien und den jeweils agierenden Schulministerinnen und -ministern geflissentlich außer Acht gelassen: die Schaffung digitaler Lerninfrastrukturen bzw. digitaler Lernplattformen. Nein, nicht dass die Schulministerien, die Schulministerinnen und -minister samt ihrer Staatssekretärinnen und -sekretäre nichts mit dem Begriff „Digitalisierung“ (=“irgendwas mit Computern!“) anfangen könnten – schließlich betonen alle immer unisono wie wichtig die „Digitalisierung“ der Schulen ist und wie herausfordernd die „Digitalisierung“ von Schulen für ihre Behörde ist.

Dabei könnten sich die Beteiligten doch beraten lassen – die Bundesregierung hat schließlich seit 2018 eine Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte für Digitalisierung. Frau Bär hat schließlich Politikwissenschaft in München und in Berlin studiert und seit 2005 einen Abschluss als Diplom-Politologin. Und sie leitet das „Innovation Council“ der Bundesregierung zum Thema Digitalisierung, welches seit 2018 zweimal pro Jahr tagt [0]. Sicherlich ein fachlich perfekt passendes Studium und rundum positive persönliche Erfahrungen, um als Staatsministerin für Digitalisierung erfolgreich wirken zu können…

Nun, auf Beratung kann man sicher auch verzichten und selbst zu einer Lösung kommen. NRW stellt seine Lösung hier im Internet vor [1]. Die Landesregierung verfolgt demzufolge „ihre Ziele im Bildungsbereich strategisch auf sechs abgestimmten Handlungsfeldern für das Lernen im digitalen Wandel“.

Schauen wir mal genauer hin – dort heißt es:

„1. Wir fördern den Breitbandzugang der Schulen und erproben die 1:1 Ausstattung der Schülerinnen und Schüler mit digitalen Endgeräten. Wir schaffen Vertrauensräume für das Lernen im Internet.“

Ok, die Pandemie hat gezeigt, dass es mit den Breitbandzugängen der Schulen in NRW nicht wirklich weit her ist. Der Glasfaser-Breitbandausbau läuft zwar, doch insgesamt ziemlich langsam. Straßen aufbuddeln und Leitungen verlegen kostet halt Geld – und da überlegen sich auch die Anbieter – die die Kosten ja tragen und irgendwie auch amortisieren müssen – genau, wo sich der teure Breitbandausbau lohnt und wo nicht. Die Landesregierung könnte da mit entsprechenden finanziellen Mitteln unterstützen – aber die Versäumnisse der vergangenen Jahre lassen sich nicht in wenigen Wochen beseitigen. Es heißt auf der Internet-Seite des Landes NRW, dass ab 2016 Bundes- und Landesregierung den Breitbandzugang von Schulen in den Kommunen fördern – wir haben inzwischen 2021, Bundes- und Landesregierung sowie Kommunen hatten also mehr als 4 Jahre Zeit – und getan hat sich wenn überhaupt nur sehr wenig. Und das Wenige auch nur sehr langsam…

Ja und die „1:1 Ausstattung der Schülerinnen und Schüler mit digitalen Endgeräten“ soll ja auch erst einmal erprobt werden. Da steht nichts davon, dass alle Schülerinnen und Schüler in NRW ein digitales Endgerät erhalten – Erproben heißt eben, dass nur wenige erst einmal ausgestattet werden und man dann mal schaut, ob das denn auch so funktioniert, wie man sich das gedacht hat. Und was auch immer wieder gerne „vergessen“ wird: es nutzt nichts, alle Schülerinnen und Schüler 1:1 mit digitalen Endgeräten auszustatten. Damit die Schülerinnen und Schüler auch damit etwas anfangen können – im Idealfall „lernen“ können – brauchen sie auch digitale Infrastrukturen und digitale Unterrichtsinhalte, auf die mit den digitalen Endgeräten zugegriffen werden kann. Tatsächlich hat das Land NRW in der Pandemie den Kommunen Gelder zur Verfügung gestellt, damit diese digitale Endgeräte für Schülerinnen und Schüler beschaffen können. Das wird wohl auch geschehen sein – zum aktuellen Zeitpunkt (März 2021) sind niedrig- und mittelpreisige Tablet-Computer aller Hersteller kaum noch auf dem Markt verfügbar.

Und tatsächlich schafft man auch „Vertrauensräume“ im Internet: LOGINEO NRW soll eine „verlässliche digitale Infrastruktur“ sein, die den Schulen in NRW „einen virtuellen Arbeitsraum im Internet“ zur Verfügung stellt. Interessant: „Lehrerinnen und Lehrer können dort zum Beispiel gemeinsam an Dokumenten arbeiten und Materialien austauschen, die sie für den Unterricht benötigen“. Und was ist mit der digitalen Lehrer-Schüler-Interaktion ? Diese wird mit keinem Wort erwähnt – wohl aber, dass LOGINEO NRW bereits an 350 Schulen erprobt wird. Also auch hier „Erprobung“ mit einer kleinen Stichprobe der Schulen. Nur zur Verdeutlichung der Relation: in NRW gab es im Schuljahr 2019/2020 insgesamt 5.436 allgemeinbildende Schulen, davon sind 4.892 öffentliche und 544 private Schulen [2]. An der Erprobung nahmen also knapp 7% der (vermutlich öffentlichen) allgemeinbildenden Schulen teil. Da Schulen sehr unterschiedliche Schülerzahlen aufweisen (können) und keine Aussagen über die teilnehmenden Schulformen gemacht werden, kann aus dem Anteil der an der Erprobung teilnehmenden Schulen nicht auf die Anzahl der an der Erprobung beteiligten Lehrerinnen und Lehrer sowie auf die Anzahl der Schülerinnen und Schüler rückgeschlossen werden.

Weiter heißt es auf der Website des Landes NRW unter „NRW 4.0: Lernen im digitalen Wandel“ dass die „Arbeiten zur Weiterentwicklung der Erprobungsversion von LOGINEO zu LOGINEO NRW bis Sommer 2016 abgeschlossen werden“. LOGINEO NRW ginge mit dem Schuljahr 2016/2017 auf Antrag der einzelnen Schulen in den Regelbetrieb. Großartig! Inzwischen haben wir doch tatsächlich schon 2021 und LOGINEO NRW ist immer noch die Ausnahme statt die Regel an den Schulen. Die Corona-Pandemie hat sicherlich dazu geführt, dass mehr Schulen ihren LOGINEO NRW-Zugang beantragt haben und wahrscheinlich auch bekommen haben – aber der Weg dahin ist sicherlich nicht „mal eben schnell“ gegangen. Eine Beschreibung des Beantragungsprozesses kann man ebenfalls im Internet finden [3]. Und weil es sich ja erstens um das Land NRW und zweitens um den öffentlichen Bildungsbereich handelt, muss jede Schule – sprich: jede Schulleitung – neben dem eigentlichen Antrag auch ein „technisch-pädagogisches Einsatzkonzept“ (TPEK) [4] einreichen und ausführlich beschreiben, wie die Digitaltechnik den Unterricht bereichern soll. Man sieht, dass die Bereitstellung digitaler Infrastrukturen durch das Land NRW nahezu „unbürokratisch“ abläuft…

Und obwohl LOGINEO NRW in einem kommunalen Rechenzentrum gehostet wird, ist es zweifelhaft, dass die Plattform dort so schnell skaliert werden kann, wie nötig – entsprechende Server müssen auch erst einmal beschafft und eingerichtet werden, wenngleich auch durch Servervirtualisierung sicherlich effizient und zeitsparend gearbeitet werden kann. Viel aufwändiger wird es dann wieder für die einzelnen Schulen, ihre LOGINEO NRW Instanz zu „personalisieren“, d.h. auf die eigenen Bedürfnisse und an die eigene Umgebung anzupassen.

Denn das ist nach Auffassung des Schulministerium dann wieder Sache der Schulen – also Sache der Lehrerinnen und Lehrer. Da hoffen wir doch mal ganz fest, dass alle damit befassten Lehrerinnen und Lehrer auch entsprechende IT-Fachkenntnisse haben. Und auch die notwendige Zeit – neben der Unterrichtszeit – dafür bekommen, die Lernplattform(en) einzurichten, zu „customizen“ und letztlich auch zu administrieren. Und letztlich bleibt zu hoffen, dass die notwendige Daten- und IT-Sicherheit gewährleistet ist – es wäre nicht zum ersten Mal geschehen, dass durch gutgemeinte administrative Einstellungen Sicherheitslücken geöffnet werden.

Apropos „Administration“. Diese wird wohl in der Regel durch die Schulen selbst – sprich: durch engagierte Lehrerinnen und Lehrer – durchgeführt. Man kann ziemlich sicher sein, dass hier das Engagement dieser „Admin“-Lehrerinnen und -Lehrer ziemlich schamlos ausgenutzt wird. Die wenige Zeit, die ihnen neben ihren Unterrichtsverpflichtungen zur Verfügung steht, wird niemals ausreichen, um eine hinreichende Systemadministration der Lernplattform(en) zu gewährleisten. Dazu kommt ja auch noch, dass eben jene Lehrerinnen und Lehrer auch den „First-Level-Support“ für „ihre“ Anwender bereitstellen sollen. Also wenden sich alle Schülerinnen und Schüler und auch die Lehrerinnen und Lehrer zuerst an „ihre“ Admin-Lehrerinnen und -Lehrer und nehmen weitere „Admin-Zeit“ in Anspruch. Insofern kann man sich ziemlich sicher sein, dass die „Admin-Lehrerinnen und -Lehrer“ ihre Freizeit geben…

Für den „Second-Level-Support“ darf dann die IT des jeweiligen Schulträgers in Anspruch genommen werden…

Wollte man die Systemadministration tatsächlich „richtig“ machen, müsste den Schulen entsprechend fachlich qualifiziertes Administrationspersonal zur Verfügung stehen. Und schon geht wieder der Streit los, wer denn dieses (teure) Personal zu bezahlen hat – es muss also rechtlich die Frage geklärt werden, unter wessen Betreiberschaft die Lerninfrastruktur steht. Steht sie unter schulischer Betreiberschaft, wäre das Land in der Pflicht, Personal zu stellen. Zählt man aber auch noch die Gebäude-Infrastruktur hinzu – welche ja auch verwaltet, gewartet und gepflegt werden muss – ist wieder der Schulträger in der Pflicht. Es wäre schon ein echtes Wunder, würde dieser gordische Knoten irgendwann einmal endgültig durchschlagen…

Ein Nachtrag:
Wer übernimmt eigentlich die datenschutzrechtliche Verantwortung und Aufsicht über die Lernplattform(en) an den einzelnen Schulen wahr ? Die Schulleitung ? Die Admin-Lehrer:innen ? Der/die Datenschutzbeauftragte des Schulträgers ?