Nachtfotografie…

Warum ausgerechnet „Nachtfotografie“ ?

Es begann mit einem Bild, das ich irgendwo gesehen habe – verbunden mit dem Angebot eines Workshops zur Nachtfotografie auf dem Gelände der Hattinger Henrichshütte. Das Bild faszinierte mich und ich meldete mich für den abendlich-nächtlichen Workshop an. An besagtem Abend packte ich Kamera, Stativ und Fernauslöser in die Tasche – so wie es die Veranstalter empfahlen – und fuhr nach Hattingen zur Henrichshütte. Die Henrichshütte wurde nach ihrer Stilllegung in den 1980er Jahren zum Industriedenkmal ausgebaut und für Besucher geöffnet. Nachts werden die nun stillstehenden Anlage mit farbigem Licht beleuchtet, was der ehemaligen Industrieanlage ein ganz neues, facettenreiches Erscheinungsbild gibt. Ein Erscheinungsbild, was man eben nur bei Dunkelheit wahrnehmen kann – tagsüber dominieren die tristen braun-roten Rosttöne, nachts erscheint die Museumsanlage in einer faszinierenden Farbigkeit. Zwei Dinge geschahen an diesem Abend mit mir: erstens begann ich mich für die Industrieanlage zu interessieren, zweitens war ich der Faszination „Nachtfotografie“ erlegen.

Eine meiner ersten Nachtaufnahmen in der Henrichshütte in Hattingen.

Der Abend klang nach dem Praxisteil mit einer Besprechung der Bilder der Teilnehmer aus, nicht ohne dass uns die beiden Veranstalter noch mit ganz praktischen Tipps versorgten. Einige davon durften wir Teilnehmer schon ganz „praktisch“ spüren: ohne kältefeste Kleidung ist Nachtfotografie in einer klaren Januar-Nacht eine sehr frostige Angelegenheit.

Die Ausrüstung

Nach diesem Abend vervollständigte ich meine Ausrüstung um ein paar nützliche Gegenstände für die Nachtfotografie. Allen Dingen voran ein Paar warmer Handschuhe, langer Ski-Unterwäsche und festem Schuhwerk… Ansonsten braucht man nicht viel für die Nachtfotografie:

  • Eine Kamera, die idealerweise über einen manuellen Modus verfügt,
  • ein Objektiv,
  • ein Stativ, das dem Gewicht der Kamera hinreichend angepasst ist,
  • einen Fernauslöser und
  • eine Wäscheklammer.

Persönlich glaube ich, dass es ziemlich egal ist, was für eine Kamera man benutzt. Ich denke, dass man mit jeder Kamera ansprechende Nachtaufnahmen machen kann. Auch auf das Objektiv – vor allem auf seine Lichtstärke – kommt es m.E. weniger an: es ist sowieso dunkel. Viel wichtiger ist das Stativ, das der Kamera einen ausreichenden Halt geben muss und auch bei leichtem Wind nicht wackeln sollte (sonst werden die Aufnahmen einfach aufgrund der langen Belichtungszeiten unscharf…). Der Fernauslöser dient dazu, die Kamera eben beim Auslösen nicht berühren zu müssen, um so Verwacklungen zu vermeiden. Und zuletzt die Wäscheklammer: sie dient dazu den Kameragurt auf dem Stativ so zu fixieren, dass der Wind sich nicht darin verfangen kann und so zu Verwacklungen führt.

Die Aufnahme

Ich beginne in der Regel damit, das Motiv auszuwählen, es zu umrunden, den Bildausschnitt festzulegen. Dann baue ich die Kamera auf dem Stativ auf, fixiere den Tragegurt mit der Wäscheklammer und richte im Sucher der Kamera den Bildausschnitt meines Motives aus. Dabei fokussiere ich das Motiv bereits – meist bei Offenblende (=größte mögliche Blende). Anschließend schalte ich den Autofokus und den Bildstabilisator aus. Bei sehr dunklen Motiven – wenn der Autofokus versagt – stelle ich das Motiv manuell scharf, wobei ich meistens den LiveView der Kamera zu Hilfe nehme. Anschließend schließe ich die Blende auf die gewünschte „Aufnahmeblende“ – meist Blende 8 oder Blende 11. Den ISO-Wert lege ich meistens auf ISO 100 fest. Meine Kameras unterstützen mich im manuellen Modus durch eine „Belichtungswaage“, die mir anzeigt, wie stark ein Bild über- oder unterbelichtet ist. Zunächst stelle ich dann die Belichtungszeit so ein, dass die Kamera ein „richtig“ belichtetes Bild aufnehmen würde. Funktioniert dies noch im Rahmen der von der Kamera angebotenen Belichtungszeiten (max. 30 Sekunden), löse ich per Fernauslöser aus und betrachte dann das aufgenommene Bild. Benötigt die Kamera jedoch eine länge Belichtungszeit, versuche ich bei einer größeren Blende eine Belichtungszeit von 30 Sekunden einzustellen. Gelingt dies, kann ich aus den Blendenschritten bis zur Wunschblende die erforderliche Belichtungszeit ausrechnen (gut, das Handys jetzt auch Taschenrechner-Apps haben) – jeder ganze Blendenschritt in Richtung einer kleineren Arbeitsblende bedeutet eine Verdopplung der Belichtungszeit. Habe ich z.B. bei Blende 4 eine Belichtungszeit von 30 Sekunden ermittelt und möchte mit Blende 8 fotografieren (Schärfentiefe, Blendensterne usw.), so bedeutet die Einstellung auf Blende 5,6 eine Belichtungszeit von 60 Sekunden, die Einstellung auf Blende 8 dann 120 Sekunden, bei Blende 11 dann schon 240 Sekunden und bei Blende 16 ganze 480 Sekunden. Da die Spiegelvorauslösung mit einer Sekunde nach dem Auslösen zu Buche schlägt, rechne ich die eine Sekunde noch hinzu und stelle die Belichtungszeit auf meinem Fernauslöser ein (als ich noch keinen „programmierbaren“ Fernauslöser hatte, habe ich die Sekunden einfach gezählt oder auf die Uhr gesehen oder oder oder…). Da das „richtig“ belichtete Bild aber meistens dann doch wieder viel zu hell ist, reduziere ich die Belichtungszeit entsprechend. Mit der Zeit braucht man auch immer weniger zu rechnen – man hat seine persönlichen Erfahrungen…

Sonstige Einstellungen

Einige Einstellungen mache ich grundsätzlich vor einer „Nachtaufnahme-Serie“:

  • ISO auf ISO 100, da dabei das Bildrauschen relativ gering ist
  • die kamerainterne Rauschreduktion ausschalten (weil die Kamera nach der eigentlichen Aufnahme erneut eine „Dunkelaufnahme“ zur Ermittlung des Rauschens macht und exakt die gleiche Zeit noch einmal blockiert ist – bei mehreren Minuten Belichtungszeit mitunter ätzend…)
  • die Spiegelvorauslösung einschalten (oder halt eine Aufnahmeverzögerung von 1 Sekunde)
  • den Weißableich lasse ich auf „Auto“ – in der Nachbearbeitung kann ich den Weißabgleich immer noch anpassen.
Hochofen 3 der Henrichshütte – man beachte den Blendenstern des zentralen Scheinwerfers.

Blendensterne

Ein paar Worte noch zu den Blendensternen. Man braucht dafür keine „Sterneffektfilter“ – die Blendensterne sind ein physikalischer Effekt, der durch die Beugung des Lichts an den Kanten der Blendenlamellen entsteht. Besonders schöne Blendensterne entstehen bei einer ungeraden Anzahl von Blendenlamellen, bei einer geraden Anzahl von Blendenlamellen entstehen sehr symmetrische Blendensterne. Bei ungerader Anzahl von Blendenlamellen entstehen doppelt so viele „Sternstrahlen“ wie Blendenlamellen vorhanden sind, bei gerader Anzahl enstehen exakt so viele „Sternstrahlen“, wie Blendenlamellen vorhanden sind.

Man mag zu den Blendensternen stehen wie man will – physikalisch kann man sie nicht vermeiden. Sie treten jedoch um so prominenter hervor, je kleiner die Blendenöffnung ist. Wer die Blendensterne also nicht mag, sollte mit möglichst großer Blendenöffnung fotografieren, um die „Strahlen“ in ihrer Intensität und Größe möglichst zu reduzieren. Verhindern kann man sie nicht. Ich mag die Blendensterne…

Ausprobieren…

Vielleicht hat der ein oder andere nun Lust bekommen, auch einmal bei Dunkelheit zu fotografieren. Man stellt doch einigermaßen erstaunt fest, dass die Nacht gar nicht so dunkel ist. Wo wir Menschen leben und arbeiten ist auch in der Nacht Licht. Kunstlicht. Und diese künstliche Beleuchtung – gemischt mit der natürlichen Beleuchtung z.B. während der „blauen Stunde“ – gibt vielen Motiven ein ganz anderes Erscheinungsbild als bei Tage. Natürlich sind die kunstvoll beleuchteten Museen der Industriekultur eine „Kunstwelt“, aber auch Industrieanlagen, die in Betrieb sind, bieten nachts ein faszinierendes Bild. Oder Städte, Eisenbahnanlagen, Gebäude. Die Liste der möglichen Motive ist lang.