(CB) Kennt Ihr das Gefühl, was man hat, wenn man ein Bild betrachtet und meint, man hat das Bild oder wenigstens Teile des Bildes schon einmal irgendwo uns in einem ganz anderen Zusammenhang gesehen ? Oder wenn Ihr ein Bild betrachtet und Euch Details auffallen, die irgendwie „merkwürdig“ sind ?
Mir ist das erst neulich wieder so ergangen. So ungefähr vor 10, 12 Tagen sah ich ein Bild und wusste sofort, dass damit irgendetwas nicht stimmen konnte – allerdings bin ich auch nicht so schnell darauf gekommen, was es sein könnte. Gut, der Titel war irreführend, weil er einen anderen Ort suggerierte, als den Ort, an dem das Bild tatsächlich entstanden sein muss. Die Ecke kenne ich zufällig ganz gut, weil ich da sehr oft herfahre – in manchen Wochen sogar jeden Tag. Aber nicht jeder sieht in eine Landkarte, wo er seine Bilder gemacht hat und nicht jede Kamera ist mit einem GPS-Modul ausgestattet, welches es ermöglicht, Geokoordinaten in die EXIF-Daten zu schreiben.
Als ich dann am vergangenen Mittwoch Abend in Ennepetal Königsfeld am Rande eines Gerstenfeldes stand, wurde mir bewusst gemacht, was mir an jenem kurz gesehenen Bild merkwürdig vorkam. Alle anwesenden Fotografen richteten ihre Kameras und Objektive in eine deutlich andere Richtung aus – was mich dazu veranlasste, doch einmal die GPS-Funktion meines mobilen Multifunktionsfunkfernsprechers zu aktivieren und den eingebauten „Kompass“ zu befragen, wo denn nun Westen wäre. Ich hatte nur per App gecheckt, um welche Uhrzeit die Sonne untergehen würde. Im Westen war klar – nur dass ich den „Westen“ ganz anders verortet hatte, als er es tatsächlich ist. Ich hatte mich viel zu stark nach Norden ausgerichtet – also genau dorthin, wo die Sonne niemals sichtbar sein würde – jedenfalls nicht, solange ich auf der Nordhalbkugel der Erde und nördlich des nördlichen Wendekreises der Sonne auf der Erde stehe.
Nachdem ich ein paar Bilder der untergehenden Sonne – mal mit Vordergrund, mal mit mehr Hintergrund – gemacht hatte, machte ich doch noch einmal eine kleine Belichtungsreihe mit ziemlich nach Norden ausgerichteter Kamera. Die Sonne war um 21:23 Uhr hinter den westlichen Hügeln etwas nördlich der kleinen Siedlung Dürholt untergegangen, doch ihr Licht beleuchtete noch die Felder in der Landschaft.
Die Ähren des Gerstenfeldes – vor allem deren langen Grannen – leuchteten im noch vorhandenen Abendlicht der untergegangenen Sonne. Es ist schon eine interessante Lichtstimmung, die dieses vom Himmel reflektierte, indirekte Sonnenlicht erzeugt. Ich muss zugeben, dass mir das in all den Jahren, die ich hier nun schon herfahre, noch nie aufgefallen ist. Nun gut, als arbeitender Teil der Bevölkerung hat man auch nicht immer die Zeit, sich in seiner näheren Umgebung mal ausgiebig umzuschauen…
Allerdings war mir nun bewusst, dass das gesehene Bild so niemals aufgenommen worden sein kann. Der Himmel muss digital bearbeitet worden sein – was ja heute dank „AI“ kein Problem mehr sein dürfte. Wahrscheinlich hat die Manipulation nur einige Sekunden gedauert – um beim Betrachter eben einen ganz besonderen Moment zu suggerieren. Ich habe mir daraufhin auch einmal erlaubt, mit den von mir bevorzugten Werkzeugen meiner digitalen Dunkelkammer den Nordhimmel zu manipulieren. Leider habe ich kein tatsächlich passendes Bild eines Sonnenunterganges in meinem Archiv gefunden – die Auflösung sollte ja schon zum Bild passen und alle Sonnenuntergänge in meinem Archiv sind deutlich älteren Datums und mit maximal 10 Megapixeln fotografiert worden. Deshalb war ich ja hier, um dieses Manko auszugleichen…
Also erst einmal ein wenig mit den Reglern zur Farb- und Lichtintensivierung gespielt. Das Ergebnis sieht so aus:
Na ja, und den Himmel austauschen – soooo schwer kann das ja nicht sein, zumal es wirklich gut definierte Übergänge zwischen Landschaft und Himmel gibt. Das Ergebnis sieht dann so aus:
Am übelsten sind halt die „Lücken“ in den Bäumen im rechten Bilddrittel. Das ist eine kleine Sisyphus-Arbeit. Dazu noch ein wenig an den Reglern für Helligkeit und Farbe gespielt und schon ist das Ausgangsbild kaum noch zu erahnen. Vielleicht hätte ich jetzt bei einem Programm mit „AI“ noch „Mach-eine-untergehende-Sonne-rein“ sagen können und – zack! – wäre noch eine untergehende Sonne drin und der Eindruck eines Sonnenuntergangs perfekt. Aber nun ja – nun ist der Himmel über Sylt (der Himmel stammt aus einem Bild, das ich in Utersum auf Föhr in Richtung Sylt gemacht habe – da gibt es wirklich die schönsten Sonnenuntergänge zu sehen!) über Ennepetal Königsfeld. Und wer sich geografisch in unserer Region nicht auskennt, der wird kaum merken, dass es sich um eine Aufnahme handelt, die so nie wirklich „out of the cam“ sein kann!
Und dann wurde auch klar, was ich schon einmal gesehen hatte bei jenem zur Recherche inspirierenden Bild: den Himmel. Hört sich komisch an, aber den Himmel hatte ich tatsächlich schon einmal gesehen. Auffälligstes Merkmal: ein Kondensstreifen. Und zur Zeit wird der Himmel gerade nicht mit Kondensstreifen „zerkratzt“ – dank Corona stehen die meisten Flugzeuge auf dem teuren Boden der Flughäfen…
Es dauerte übrigens nicht lange und ich fand den Himmel tatsächlich bei einem ganz anderen Bild noch einmal wieder. Damals – vor rund zwei Jahren – hatte man einen fliegenden Vogel vor diesem Sonnenuntergang und vor diesem Himmel abgebildet.
Zwei Lehren ziehe ich daraus:
Erstens:
Unterschätze nie die Betrachter eines Bildes. Unter tausenden Augen ist ein Paar, das den Ort des Geschehens kennt.
Zweitens:
Eine erfolgreiche Bildmanipulation bedeutet mehr, als nur ein plausibles Bild zu erzeugen. Es sollten auch Faktoren wie Geografie, Physik und Astronomie (nicht Astrologie!) berücksichtigt werden.
NACHTRAG:
Offensichtlich fühlt sich da jemand ertappt und ärgert sich ganz furchtbar darüber, ertappt worden zu sein.