(CB) Ohne „AI“ oder „KI“ – also ohne „artificial intelligence“ oder „künstliche Intelligenz“ geht ja heute gar nichts mehr. Schon gar nicht in der Bildbearbeitung. Die Werbung tönt laut und man hört auch immer wieder eine Stimme, die verkündet, dass es ohne künstliche Intelligenz nun wirklich nicht mehr gehe. Also habe ich es ausprobiert…
Und ich muss sagen, dass meine Erwartung nicht enttäuscht wurde. Es dauert einen Moment länger, bis die Software mit der künstlichen Intelligenz das zu bearbeitende Bild geladen hat. Ich weiß nicht, was die Software in dieser Zeit macht, die eine Stimme behauptet, die Software analysiere das Bild…
Was dann kommt, ist das übliche Erscheinungsbild eines RAW-Konverters. Kennt man einen, kennt man alle. Auffällig ist, dass immer wieder die Buchstabenkombination „AI“ in der Funktionsreglern auftritt – also muss damit irgendetwas ganz Großartiges passieren. Nun, ich habe die Regler an meinen Bildern ausprobiert und – es passiert nichts. Nichts, was ich nicht mit den altmodischen ohne „AI“ auskommenden Programmen auch hätte hinbekommen.
Also dachte ich, dass irgendwo doch der ganz große Knaller versteckt sein müsse. Schließlich muss doch die einprogrammierte „AI“ auch aus meinen öden Bildern Meisterwerke generieren können. Schließlich liegt mir noch die Stimme im Ohr, die sagte, damit können Profis ganz einfach den Himmel austauschen und müssten nicht auf passendes Wetter warten. Ach richtig, ich vergaß, Bilder sind nur dann gut, wenn sie bei schönem oder schönstem Wetter gemacht wurden…
Ja, da ist so eine „Himmelsaustausch“-Funktion, die vollautomatisch – dank „AI“ – den grauen Himmel gegen einen schönen blauen Himmel austauschen kann. Keine Maske in der Bildbearbeitung, keine Nachbearbeitung der Maske, keine Ebenen – einfach so den Himmel ausgetauscht. In Sekundenschnelle. Also habe ich die Funktion ausprobiert und wurde auch wirklich nicht enttäuscht. Der Himmel wurde sauber an der Horizontkante ausgetauscht. Bei näherer Ansicht – sprich bei deutlicher Vergrößerung – wurde sichtbar, dass die mitgelieferten „Standard“-Himmel leicht „klotzig“ wirkten – sie entsprechen offensichtlich in ihrer Auflösung nicht der Auflösung meines Fotos. Nun gut, man kann auch auf eigene „Himmel“ zurückgreifen. Doch dann musste ich laut lachen. Der künstlichen Intelligenz ist die Analyse des Bildes wohl doch nicht so ganz gelungen. Das eigentliche Objekt hat sie nicht erkannt und den Himmel direkt dort hineingelegt. So bekommt mein Motiv einen ganz neuen Anstrich. Dank „AI“. Ganz toll! DAS hätte ich mit jeder anderen Bildbearbeitung auch hinbekommen.
So sieht das Ausgangsbild ohne Bearbeitung aus:
Und so sieht das Bild mit Bearbeitung durch „AI“ aus:
Das Ruderhaus der Fähre hat einen neuen „Himmelsanstrich“ bekommen. Die „AI“ hat hier offensichtlich nach Farbtönen bzw. Farb- und Helligkeitswerten der Bildpixel „analysiert“ und ist zu dem Schluss gekommen, dass das weiße Ruderhaus auch „Himmel“ sein müsse. Alles oberhalb der Horizontlinie mit bestimmten Farb- und Helligkeitsinformationen muss „Himmel“ sein. Und so ist alles oberhalb der Horizontlinie eben mit „Himmel“ gefüllt worden. Ein „Schiff“ hat sie jedenfalls nicht erkannt.
Wie auch ?
Also, mit „einfach“ war erst einmal nicht. Wahrscheinlich funktioniert es, wenn keine Gegenstände in den Himmel ragen, die eine dem Himmel sehr ähnliche Farbe und Helligkeit aufweisen. Interessant ist auch, dass das Wasser nicht beeinflusst wurde, sagte doch die Stimme in meinem Ohr, dass sogar die Beleuchtung einer Szene automatisch – dank „AI“ – angepasst werde. Jeder, der schon einmal am Meer war, weiß, dass das Meer ganz unterschiedliche Färbungen zeigen kann – die „AI“ „weiß“ das wohl nicht…
Egal wie, auch diese Software bietet „Ebenen“ und „Masken“ an, mit der man der „AI“ Hilfestellung geben kann. Einfacher und weniger zeitaufwändig wird die Retusche dadurch aber nicht, denn dann ist wieder eine echte, lebende Intelligenz am Zuge…
Insofern: DELETED!
Nachtrag:
Zwei Dinge sind mir noch aufgefallen. Da wäre das Ding mit der Himmelsrichtung. Beim Austauschen des Himmels sollte man sich schon bewusst sein, dass es Himmelsrichtungen gibt, in denen die Sonne (bzw. bei Nacht der Mond/die Milchstraße) einfach niemals stehen kann. Gleichzeitig sollte man sich bewusst sein, dass es Menschen gibt, die das fotografierte Motiv – vor allem Landschaften / Orte – kennen und denen die Himmelsrichtungen dort bewusst sind – und eben auch die Himmelsrichtung in der die Sonne aufgeht oder untergeht bzw. die Himmelsrichtung, in der die Sonne weder aufgeht noch untergeht. Wer also den Himmel austauscht, sollte sich mit der geografischen Situation vor Ort auskennen, denn sonst entstehen hübsche, aber geografisch leider völlig vermurkste Bilder. Und an dieser aus Unkenntnis bzw. Ignoranz der geografischen Situation heraus bearbeitete Bilder fallen dann halt auch als „bearbeitet“ auf. Besonders peinlich in Wettbewerben…
Und dann ist da noch das Ding mit der Masse der Anwendungen der mitgelieferten Himmelsbilder. Man muss sich bewusst machen, dass eine solche Anwendung von Zehntausenden von Fotografinnen und Fotografen benutzt wird. Und so werden die wenigen mitgelieferten „Himmel“ immer und immer wieder angewendet. Mal über dem Meer, mal über der Wüste, mal über den Bergen, mal über… Irgendwann fällt das auf, dass immer wieder die gleichen Himmel in unterschiedlichen Situationen angewendet werden – von unterschiedlichsten Fotografinnen und Fotografen. Und schon wieder fällt die Bearbeitung auf. Also, wenn man schon „pfuschen“ will, muss man sich wenigstens die Mühe machen, Zeit in den Aufbau einer eigenen Sammlung von „Himmelsbildern“ zu investieren.
Nachtrag II:
Eines noch: in vielen Bildern bzw. in den EXIF-Daten, die in den Bildern gespeichert werden, sind Geodaten „versteckt“. Damit kann man recht einfach „herausfinden“, wo ein Bild gemacht worden ist. Und mit der passenden App weiß man flott, wie der Sonnen-/Mondverlauf an diesem Ort auf der Welt ist…