Bild des Monats (11/2022)

Schnell raus hier!

Das Bild des Monats entstand 2017 in der letzten noch verbliebenen Fußgänger-Unterführung am Alten Markt in Wuppertal Barmen, die Unterführung quert (oder querte ?) die B7 in Nord/Süd-Richtung und verbindet (oder verband ?) den Steinweg mit dem Fischertal. Neben dieser Anlage existiert(e) eine größere und wichtigere Tunnelanlage, die den ehemaligen Busbahnhof vor der Barmer Kaufhof-Filiale mit dem Schwebebahn-Bahnhof „Alter Markt“ verband. Von dieser Anlage zweigte ein „Nebentunnel“ in Richtung Steinweg/Parkhaus ab.

Die städtebauliche Entwicklung der meisten deutschen Städte in der Nachkriegszeit war am Konzept der „autogerechten Stadt“ ausgerichtet (heute ein Unding!). Dem motorisierten Individualverkehr wurde sukzessive immer mehr Raum zugebilligt – mit der Folge, dass es immer häufiger zu Konflikten zwischen Autoverkehr und Fußgängerverkehr kam. Die als „Talachse“ durch Wuppertal verlaufende B7 wurde zu einer vierspurigen Straße ausgebaut, in deren Mitte die Gleise der Straßenbahn lagen. Für Fußgänger war das Überqueren dieser leistungsfähigen Verkehrsachse oftmals ein lebensgefährliches Unternehmen…

Ende der 1950er Jahre plante das Kaufhaus-Unternehmen Kaufhof in Barmen eine Filiale zu errichten. Da bereits in den 1950er Jahren Beschlüsse zum Umbau des Bereiches „Alter Markt“ gefasst wurden, passte man seinerzeit die Planungen an und wies dem Kaufhaus „Kaufhof“ einen zentralen Platz zu. 1961 wurde mit dem Bau des Kaufhof-Gebäudes, 1962 mit dem städtischen Umbauprojekt begonnen. 1963 wurde der „neue“ Alte Markt mit Busbahnhof als Teil der neuen Fußgängerzone (Werth) eröffnet. 1964 schließlich wurde das Kaufhof-Gebäude fertiggestellt und das Kaufhaus eröffnet. Von 1965 bis 1967 wurde die Kreuzung Alter Markt schließlich umgebaut – in diesem Zuge wurden auch die Unterführungen errichtet. Sie wurden im Stil eines urbanen Untergeschosses ausgeführt und sollten gleichzeitig den Fußgängern ein sicheres „Unterqueren“ der B7 („Höhne“) ermöglichen. Die Aufenthaltsqualität wurde durch Geschäfte – ich selbst erinnere mich an die UG-Zugänge und Schaufenster des Kaufhofs, an einen Friseur-Salon, an ein Blumengeschäft und an die Konditorei Pieper – entlang des „Haupttunnels“ erhöht. Der „Haupttunnel“ verband den Busbahnhof vor dem Kaufhof-Gebäude mit dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegenden Schwebebahn-Haltepunkt „Alter Markt“. Darüber hinaus führten Auf- bzw- Abgänge zu den Straßenbahn-Bahnsteigen (später zu den Busstiegen) in der Mitte der B7. Als Schüler, der zwischen Wuppertal Barmen und Schwelm pendelte, hatte ich oft Gelegenheit, die Unterführungen zu nutzen. Meine Eltern, die den Bau der Anlagen in Wuppertal miterlebt hatten, erklärten mir damals, dass diese Unterführungen einfach zur Urbanität und zur Modernität einer Stadt gehörten und dass gerade die Wuppertaler Unterführungen am Alten Markt zu den schicksten Unterführungen überhaupt gehörten. Nun, das mag für die 1970er und teilweise auch noch für die 1980er Jahre gegolten haben – aber leider wurden die Unterführungen mehr und mehr zu Orten, die man lieber nicht betrat.

Vom Haupttunnel zweigte ein „Nebentunnel“ in Richtung Steinweg/Kaufhof-Parkhaus ab. In diesem befanden sich zwar keine Geschäfte, aber eine öffentliche WC-Anlage. Allerdings: diesen Tunnel mied man besser. Die WC-Anlage verströmte schon zu meiner Schulzeit in den 1980er Jahren einen widerlichen Geruch und wenn man denn doch einmal den Tunnel zum oder vom Steinweg nutzen musste, hielt man in Höhe der WC-Anlage besser den Atem an.

Im Jahr 2000 begannen wieder Planungen, den Alten Markt umzugestalten und den Fußgängern wieder mehr Raum zuzugestehen. Der Busbahnhof vor dem Kaufhaus-Gebäude wurde zum westlichen Ende der Fußgängerzone ausgebaut, die Bussteige wurden entlang der B7 und der umgebenden Straßen aufgeteilt. Ein Gebäude, welches eine öffentliche WC-Anlage und eine Filiale einer Schnellrestaurant-Kette beherbergt, trennt den neuen Platz von der B7 ab. Die inzwischen geschlossene Kaufhof-Filiale wurde in ein Einkaufs- und Diestleistungszentrum umgebaut. 2004 wurde die Unterführungsanlage endgültig geschlossen und oberirdische Fußgängerüberwege über die B7/Höhne eingerichtet.
Soweit ich recherchieren konnte, existieren die Tunnel noch, da in ihren Nebenräumen noch technische Anlagen untergebracht sind. Die Zugänge wurden entweder verfüllt oder verschlossen – nur wenige Mitarbeitende der städtischen Verwaltung und Betriebe suchen die Anlage(n) im Rahmen ihrer dienstlichen Obliegenheiten auf.

Neben diesen Unterführungen verläuft (oder verlief ?) eine weitere Unterführung vom südlichen Wupperufer – den Steinweg mit dem Fischertal verbindend – bis zum Gebäude einer Geschäftsbank. In dieser westlich der ehemaligen Unterführungsanlage gelegenen Tunnelanlage sind die nachstehenden Bilder gemacht worden. Auch in dieser Tunnelanlage ist (war?) die Aufenthaltsqualität längst unterirdisch schlecht – den wenigen Personen, die den Tunnel zur schnellen Querung der B7 nutzten, war anzusehen, dass ihnen dieser Weg keine sonderliche Freude machte…

Der Eingang am südlichen Wupperufer. Damals wohl topmodernes Zeichen moderner Urbanität, heute wohl eher ein „lost place“…
Der Tunnel in Richtung des südlichen Wupperufers gesehen. Die helleren Fliesen an der linken Wand zeugen von ehemaligen Werbetafeln…
Auch hier gibt es verschlossene Türen. Vermutlich befinden sich Technik-Räume hinter den Edelstahl-Türen…
Der Zugang vor dem Gebäude der Geschäftsbank im Fischertal mit Blick auf den langen Tunnel zum südlichen Wupperufer.
Graffitis „zieren“ jede Wand…
Nur schnell raus aus diesem unterirdischen Alptraum!
Wenigstens funktioniert die Beleuchtung. Einigermaßen wenigstens!
Und überall liegen Scherben von zerbrochenen Flaschen.

Ich muss zugeben, dass ich seit 2017 nicht mehr an diesem Ort war. Es zieht mich auch nichts dort hin. Insofern weiß ich nicht, ob dieser Tunnel noch zugänglich ist oder ob auch er inzwischen endgültig geschlossen wurde. Wundern würde es mich jedenfalls nicht.
Alle diese Tunnel sind im Laufe der Jahre zu „Angsträumen“ geworden und es ist gut, dass die Stadt Wuppertal gemeinsam mit ihren Einwohnerinnen und Einwohnern diese unsympathischen Orte geschlossen und die Straßenquerungen an die Oberfläche geholt hat.