(CB) Glückliche Kinderaugen, die staunend Flipper bei seinen Kunststücken zusehen und begeistert applaudieren. Eltern und Großeltern, die sich freuen, ihren Kindern und Enkeln ein besonderes Erlebnis zu bieten. Amateurfotografen, die den „richtigen“ Moment abpassen, um actiongeladene Delphinfotos zu „schießen“. Trainer, die enthusiastisch über die besonderen Fähigkeiten ihrer Schützlinge erzählen und sie zu immer spektakulären „Kunststücken“ animieren. Doch was steckt hinter der schönen, bunten Unterhaltungswelt der Delphinarien, die zugleich zwischen lehrreiche Schautafeln über das Leben der Delphine in Freiheit informieren, eingebettet ist ?
In erster Linie stehen Delphine hinter den Delphinshows. Lebende Tiere. Tiere, die irgendwie „artgerecht“ in Gefangenschaft gehalten werden müssen. Doch kann man Tiere wie Delphine überhaupt artgerecht halten ? Als Biologe – zwar mit botanischer Spezialisierung aber dennoch mit einem zoologischen Grundwissen vertraut – kann ich mir eine artgerechte Haltung von Delphinen nicht einmal ansatzweise vorstellen. Delphine sind intelligente Lebewesen, die in sozialen Verbänden leben und täglich weite Strecken im Meer schwimmen und auch recht tief tauchen können (wenn ich mich recht erinnere, legen Delphine zwischen 50 und 100 km pro Tag zurück und können bis zu 300 m tief tauchen). Ihre Umgebung und ihre Beute spüren Delphine mit einer Art „Sonar“ auf: sie senden Klicklaute aus und orientieren sich anhand des reflektierten Echos. Ähnlich komplex ist ihre Kommunikation untereinander, die die Tiere zu kooperativem Handeln befähigt – gemeinsame Jagd ist effizienter und effektiver. Für ein artgerechte Entwicklung und ein artgerechtes Leben benötigen Delphine Freiheit und Selbstbestimmung – genau so, wie Menschen auch. Und nebenbei: das scheinbar stets freundliche und anderen Lebewesen (einschließlich Menschen) zugewandte Wesen von Delphinen täuscht darüber hinweg, dass es unter Delphinen auch durchaus als „rüde“ zu bezeichnende Verhaltensweisen gibt.
Kann ihnen ein solches Leben in einem Delphinarium – einer künstlichen, von (intelligenten) Menschen geschaffenen Umwelt – geboten werden ? Ich denke, dass jeder, der schon einmal am Meer gewesen ist, sich bewusst ist, dass kein Delphinarium – egal, wie groß, tief und abwechslungsreich seine Becken gestaltet wurden – den Lebensraum Ozean auch nur annähernd abbilden kann. Dazu kommt, dass die Tiere ihre soziale Gruppe nicht selbst bestimmen können – ein Ausweichen in Konfliktsituationen ist ebenfalls nicht möglich. In den kleinen Betonbecken benötigen die Tiere ihre feinen Sinne nicht, die zurückgeworfenen Echos sind diffus und unbrauchbar. Und ob die andressierten „Kunststücke“ tatsächlich den angeborenen Spieltrieb fördern, halte ich für eine zweifelhafte Rechtfertigung der Betreiber für die beengte, wenig artgerechte Haltung von Delphinen in Delphinarien. Zwei bis drei Shows am Tag, sieben Tage die Woche erscheint zudem auch ein recht straffes „Arbeitspensum“ – was, wenn ein Tier einfach mal relaxen möchte ? Dazu kommt, dass die antrainierten Kunststücke mit einem Häppchen totem Fisch „belohnt“ werden – in Freiheit meiden Delphine tote Fische als Nahrung, stellen sie doch eine potentielle Gesundheitsgefahr dar. Offensichtlich hat man den Tieren auch antrainiert, toten Fisch als Nahrung zu akzeptieren. Es sieht ja auch nicht besonders attraktiv aus, wenn Delphine lebende Fische vor den Augen der jüngsten Zuschauer fressen…
Aufgrund der nicht möglichen artgerechten Haltung besuche ich keine Delphinarien. Und ich sehe mir auch keine Delphinshows an – nirgendwo. Verbunden mit der Hoffnung, dass viele Menschen dies ebenso sehen und dass eines Tages Delphinarien und Delphinshows keine lukrative Einnahmequelle mehr sind, sondern ein erdrückender Kostenblock für die jeweiligen Betreiber werden. Dann hört der Irrsinn nämlich schnell auf.
Als Amateurfotograf verzichte ich dadurch mit ziemlicher Sicherheit – aber auch bewusst – auf einige spektakuläre Aufnahmen, die sicherlich in Communities die ein oder andere Anerkennung bringen würden.
Ein Foto aus einer Delphinshow, welches ich in jüngerer Vergangenheit zu Gesicht bekam, war mit dem Text „Eine Herausforderung für die Kamera…“ unterschrieben.
Nein, ich denke nicht, dass das Foto eine Herausforderung für die Kamera war – die Lichtsituation ist beherrschbar und ein erfahrener Fotograf weiß mit Blende, ISO und Verschlusszeit umzugehen. Herausgekommen ist ja schließlich auch eine technisch perfekte Aufnahme der auf Kommando springenden Delphine. Die technische Perfektion war dann auch Gegenstand der Kommentare zu dem Bild. Technische Perfektion spielt ja in Communities eine wichtige Rolle, denn schon die kleinste Unschärfe führt ja zu vernichtender Kritik an einem Bild…
Erschreckender fand ich aber die Tatsache, dass kein Kommentator den tatsächlichen Bildinhalt wahrgenommen hat: unfreie Tiere bei widernatürlichem von einem Menschen für die Belustigung des Publikums erzwungenen Verhalten für einen Happen toten Fisches. Wie selbstverständlich werden die Lebensbedingungen der in Gefangenschaft gehaltenen ausgeblendet. Niemand zeigte Empathie mit den Tieren. Ist das Unwissenheit ? Gedankenlosigkeit ? Oder gar Ignoranz ? Mein entsprechend kritischer Kommentar zum Inhalt der Bilder der Delphinshow führte zu heftiger Kritik an meiner Kritik. Hatte ich den wunden Punkt getroffen ?
Die wirkliche Herausforderung hätte übrigens im Verzicht auf die Aufnahme gelegen…
Delphinarien sind (leider noch) nicht verboten. Delphinshows sind nicht verboten. Der Besuch von Delphinarien und Delphinshows ist nicht verboten. Dort zu fotografieren liegt im Hausrecht des Veranstalters. Man kann aber darauf verzichten. Das aber erfordert Selbstdisziplin.