Lost Places: Kent School

Gelesen hatte ich ja schon so einiges über „Lost Places“ – „verlassene Orte“. Gesehen hatte ich auch schon viele Bilder. Allein das Stichwort „lost places“ bei Google eingegeben, führt zu einer Fülle von WebSites und Bilder, die Orte zeigen, deren Nutzung aus welchem Grund auch immer aufgegeben worden ist und die sich alleine überlassen wurden. Viele dieser Orte sind Opfer eines brachialen Vandalismus geworten, der kaum eine Fensterscheiber verschont hat. Graffitis „verzieren“ die Wände, die wenigen echten Graffiti-Kunstwerke werden meist von Sprühdosen-Vandalen überprüht.

Kent School: ehemaliges Klostergebäude mit Kirche

Aber nun stand ich selbst mitten in einem riesigen Areal, das man als „Lost Place“ bezeichnet: die ehemalige Kent School in Schwalmtal. Natürlich legal, denn der Eigentümer bietet Fototouren durch Gebäude und Gelände an (www.kent-school.de). Auch hier haben die Vandalen ihren Unsinn getrieben und den Eigentümer zu drastischen Sicherungsmaßnahmen genötigt. Schon allein die Größe der Gebäude ist beeindruckend, noch beeindruckender wird der Ort aber, wenn man seine Geschichte erfährt (www.waldniel-hostert.de/geschichte.html). Zuerst etwas unschlüssig begann ich die ehemalige Anstaltskirche zu besichtigen. Die noch vorhandenen Relikte vergangener Tage lassen einen erschließen, wie prachtvoll die Kirche einstmals gewesen sein muss.

Leider sind die filigranen Kirchenfenster alle beschädigt – vermutlich ist es dem restriktiven Vorgehen des Eigentümers zu verdanken, dass sie nicht längst alle vollständig zerstört wurden. Natürlich musste man als Fotograf in der Kirche auch Rücksicht auf andere Fotografen nehmen – zu leicht „latschte“ man einem anderen (oder einer ganzen Gruppe anderer) Fotografen ins Bild. Ich erkundete nach der Stippvisite in der Kirche den „Rest“ des ehemaligen Klostergebäudes. Von dem vermutlich sehr großen Dachstuhl kann nur noch ein kleiner Teil gefahrlos begangen werden, da Regen und Wetter dem Gebäude stark zugesetzt haben. Immerhin steht es seit etwa 26 Jahren leer…

Dachboden – jedenfalls der Teil davon, der noch gefahrlos begangen werden kann. Der weitaus größere Teil ist abgesperrt und dieser Teil wird wohl bald auch nicht mehr begehbar sein.
Wohnzimmer-Atmosphäre auf dem Dachboden. Überall laden gepflegte Lounge-Sessel zum Verweilen ein…
Zugang nur noch mit Zoom-Objektiv möglich. Anderenfalls ist man schneller eine Etage tiefer, als einem lieb ist.

Im Laufe seiner wechselhaften Geschichte wurde das Anwesen von der britischen Armee als Armee-Krankenhaus genutzt, später dann als britische Schule. Die Schule wurde von etwa 1.400 Schülerinnen und Schülern besucht, 270 davon lebten im Internat. Trotz Schulbetriebes blieb das Krankenhaus erhalten, wurde aber wohl baulich von der Schule getrennt. Es sollte wohl für Krisenfälle reaktivierbar bleiben, bis es dann endgültig aufgegeben wurde. Reste des Krankenhauses sind natürlich immer noch erkennbar.

Nurse… Headphone… Power… Was braucht man mehr ?
Ehemaliger Operationsbereich.
Alles ausgeräumt…

Schon ein wenig gruselig, da alle Räume fast vollständig im Dunkeln liegen – und dann hat da noch jemand mit roter Farbe Hände an Wände, Türen und Fenster „getappt“…

Aber die „Spuren“ der Schule sind unverkennbar noch vorhanden:

Offensichtlich war hier mal ein Chemie/Biologie-Raum mit Abzug. Die Ausstattung der Schule muss vorzüglich gewesen sein, denn in einem Gebäude waren jede Menge Chemie/Biologie-Räume mit Labortischen und Abzügen eingebaut. Teile der Laborinstallation liegen heute auf dem Gelände herum…
Ein Klassenraum. Könnte so an jeder Schule sein…

Im Keller des Klostergebäudes – nach meinem Empfinden unterhalb der Klosterkirche – befindet sich die Heizungsanlage der Anlage. Gut erhalten, fast neu, kaum gebraucht, denn kaum eingebaut, wurde der Schulbetrieb 1991 endgültig eingestellt.

Elektro-Installation im Heizungskeller.
Zwei von drei Gasheizkesseln mit Gebläsebrennern.
Gasheizkessel Nummer 3 samt Anlagensteuerung.
Heizwasserverteilung mit Umwälzpumpen.

Nun, eine erneute Inbetriebnahme schließe ich aus – zu viel dürfte inzwischen zerstört sein oder durch Rost zerbröselt. Vermutlich wäre auch nach 26 Betriebsjahren ein Austausch erforderlich geworden.

Und wieder ein Wohnzimmer…
Und sogar ein vollständig eingerichtetes, ca. 150 m² großes Chefbüro!

Mein persönliches Fazit: ein Ort, der eigentlich viel zu schade ist, um ihn so verfallen zu lassen. Und mit jedem Jahr wird ein Wiederaufbau, eine Wiedernutzung noch teurer wenn nicht sogar unmöglich. Schade. Auch weil es ein Ort der Erinnerung und des Gedenkens ist und sein sollte.